In einem aktuellen Urteil (BGH, Urteil vom 27. März 2025 – I ZR 223/19) hat sich der Bundesgerichtshofs (BGH) mit der rechtlichen Zulässigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten, insbesondere Gesundheitsdaten, durch Unternehmen wie Amazon befasst. Das Urteil finden Sie hier. Dabei stehen datenschutzrechtliche Bestimmungen aus der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) sowie dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) im Mittelpunkt. Der Fall betrifft die Verarbeitung von Gesundheitsdaten im Rahmen von Geschäftsbeziehungen, bei denen eine Einwilligung des betroffenen Verbrauchers erforderlich ist, um die rechtliche Zulässigkeit der Datenverarbeitung sicherzustellen. Ferner hält der BGH es für möglich, dass Verbraucherschutzverbände und Mitbewerber Verstöße gegen die DSGVO wettbewerbsrechtlich verfolgen können. Die Leitsätze lauten:
a) Bestellt ein Kunde über den Account eines Apothekers bei der Internet-Platt-
form „Amazon-Marketplace“ (Amazon) apothekenpflichtige Medikamente,
findet eine Erhebung und Verarbeitung von Gesundheitsdaten im Sinne von
§ 4 Abs. 1 BDSG aF statt.
b) Die Verarbeitung der Bestelldaten ohne ausdrückliche Einwilligung gemäß
Art. 9 Abs. 2 Buchst. a DSGVO stellt einen Verstoß gegen eine Marktverhal-
tensregelung gemäß § 3a UWG dar, für die der Apotheker gemäß § 8 Abs. 2
UWG wettbewerbsrechtlich verantwortlich ist und gegen den ein Mitbewerber
im Wege der Klage vor den Zivilgerichten unter dem Gesichtspunkt des Ver-
bots der Vornahme unlauterer Geschäftspraktiken vorgehen kann.
1. Einwilligungserfordernis und Datenverarbeitung
Das Urteil stellt klar, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten, insbesondere solcher besonderer Kategorien wie Gesundheitsdaten, grundsätzlich nur mit der ausdrücklichen Einwilligung der betroffenen Person oder auf einer anderen rechtlichen Grundlage gemäß der DSGVO erfolgen darf. Der BGH folgt hierbei der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH), der diese Regelungen streng auslegt. Insbesondere müssen die in Art. 9 Abs. 3 DSGVO vorgesehenen Ausnahmen nur in engen Grenzen zur Anwendung kommen. Eine allgemeine Geheimhaltungspflicht gemäß § 203 Abs. 4 Satz 1 StGB reicht hierfür nicht aus, da diese nicht die spezifischen Anforderungen des Berufsgeheimnisses im Zusammenhang mit der Verarbeitung von Gesundheitsdaten erfüllt. Das Berufsgeheimnis ist für die Verarbeitung von Gesundheitsdaten erforderlich, und die betroffenen Personen müssen sicherstellen, dass alle gesetzlichen Anforderungen, wie das Einwilligungserfordernis, eingehalten werden.
2. Verantwortlichkeit der Datenverarbeitung
Die Revision des Beklagten wurde vom BGH ebenfalls zurückgewiesen, da er eine Datenverarbeitung durch Amazon lediglich als Verarbeitung „unter der Verantwortung“ der Apotheke darstellt. Nach Ansicht des BGH erfordert jedoch das Merkmal der „Verantwortung“ für die Datenverarbeitung, dass das Fachpersonal, das einem Berufsgeheimnis unterliegt, die Einhaltung der Datenschutzvorgaben gewährleistet. Dies wurde im vorliegenden Fall nicht nachgewiesen. Der Beklagte konnte nicht belegen, dass die Mitarbeiter von Amazon, die mit der Verarbeitung der Daten befasst sind, den spezifischen datenschutzrechtlichen Anforderungen im Bereich der Gesundheitsdaten gerecht werden und dass dies durch geeignete Überwachungsmaßnahmen gesichert wird.
3. Marktverhaltensregelungen und Datenschutz
Ein weiterer wichtiger Aspekt des Urteils ist die Bewertung von datenschutzrechtlichen Vorschriften als Marktverhaltensregelungen im Sinne des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Der BGH bestätigt, dass Bestimmungen, die den Schutz personenbezogener Daten betreffen, auch als Marktverhaltensregelungen anzusehen sind, wenn sie den Wettbewerb im Markt beeinflussen. Insbesondere werden datenschutzrechtliche Vorschriften, die den Schutz personenbezogener Daten betreffen, als Regelungen im Interesse der Marktteilnehmer und Verbraucher betrachtet. Das bedeutet, dass Verstöße gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen auch die Wettbewerbsfähigkeit von Marktteilnehmern beeinträchtigen können und damit Gegenstand von Abmahnungen und Klagen sein können.
4. Verbraucherschutz und Einwilligungserfordernis
Der BGH stellt klar, dass die Bestimmungen des Datenschutzrechts nicht nur dem Schutz der individuellen Rechte der betroffenen Personen, sondern auch dem Schutz der Marktteilnehmer und Verbraucher dienen. Dies bezieht sich insbesondere auf die Einwilligungserfordernisse bei der Verarbeitung von personenbezogenen Daten, insbesondere Gesundheitsdaten, die für die Entscheidung der Verbraucher über den Abschluss von Verträgen von wesentlicher Bedeutung sind. Die Entscheidung des Verbrauchers, ob er Dienstleistungen in Anspruch nimmt oder nicht, hängt oft davon ab, wie seine Daten verarbeitet werden. Der BGH unterstreicht, dass eine unrechtmäßige Verarbeitung von Gesundheitsdaten auch eine spürbare Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers darstellen kann.
5. Verstoß gegen das Datenschutzrecht als unlautere Handlung
Das Urteil stellt fest, dass ein Verstoß gegen die Vorschriften zur Verarbeitung personenbezogener Daten, wie sie im BDSG und der DSGVO festgelegt sind, auch als unlautere Handlung im Sinne des UWG gewertet werden kann. Dabei wird klargestellt, dass die Vorschriften zum Schutz personenbezogener Daten über die Harmonisierung von unlauteren Geschäftspraktiken innerhalb der EU hinausgehen und eigenständige datenschutzrechtliche Bestimmungen vorliegen.
6. Spürbare Beeinträchtigung der Verbraucherinteressen
Der BGH bejaht auch eine spürbare Beeinträchtigung der Verbraucherinteressen im Fall eines Verstoßes gegen datenschutzrechtliche Vorschriften. Eine solche Beeinträchtigung tritt ein, wenn die Fähigkeit der Verbraucher, informierte und freie Entscheidungen in Bezug auf ihre Marktteilnahme zu treffen, beeinträchtigt wird. In diesem Fall ist der Schutz der Privatsphäre und die informierte Einwilligung in die Verarbeitung von Gesundheitsdaten von erheblicher Bedeutung für den Verbraucher, da dies ein wichtiger Faktor bei der Entscheidung über den Abschluss von Verträgen oder der Nutzung von Dienstleistungen darstellt.
7. Wiederholungsgefahr und Unterlassungsanspruch
Schließlich stellt der BGH fest, dass aufgrund des festgestellten Verstoßes gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen eine Wiederholungsgefahr vorliegt, die die Grundlage für einen Unterlassungsanspruch gemäß § 8 Abs. 1 UWG bildet. Die Wiederholungsgefahr wird hierbei aufgrund der festgestellten Verletzungshandlung vermutet, was dem Kläger das Recht gibt, die Unterlassung der unzulässigen Datenverarbeitung zu fordern.
Fazit
Das Urteil des BGH verdeutlicht die strenge Auslegung der datenschutzrechtlichen Vorschriften zum Schutz von Gesundheitsdaten und betont die Notwendigkeit der Einwilligung des Verbrauchers für die rechtmäßige Verarbeitung solcher Daten. Dabei wird auch deutlich, dass datenschutzrechtliche Verstöße nicht nur die Rechte der betroffenen Personen betreffen, sondern auch Auswirkungen auf den Wettbewerb und den Schutz der Verbraucherinteressen im Markt haben können. Die Entscheidung unterstreicht die Bedeutung des Verbraucherschutzes und die Notwendigkeit, die Einhaltung von Datenschutzbestimmungen durch Unternehmen sicherzustellen, um Abmahnungen und Klagen zu vermeiden. Wenn Sie eine Abmahnung wegen eines Verstoßes gegen die DSGVO erhalten haben, können Sie hier unsere kostenlose Ersteinschätzung nutzen: Direkthilfe-Formular