Vertragsstrafe und Unterlassungserklärung

Vertragsstrafe und Unterlassungserklärung: Macht ein Inhaber eines gewerblichen Schutzrechts (wie eines Urheber- oder Markenrechts) oder ein Wettbewerber  eine Rechtsverletzung geltend, wird vor Erhebung einer einstweiligen Verfügung oder Klage in der Regel zunächst eine Abmahnung ausgesporchen.

Ein solches Abmahnschreiben enthält meist eine Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung. Unterzeichnet man als Adressat dieses Schreibens das darin enthaltene Versprechen, entfaltet dieses eine strafbewehrte Bindungswirkung.

Das bedeutet, dass der Unterzeichner sich für den Fall, dass er trotz des Versprechens die abgemahnten Verletzungshandlungen wiederholt, eine bestimmte Vertragsstrafe an den Erklärungsempfänger zu zahlen hat. Die Bindungswirkung leitet sich daraus her, dass eine einmal wirksame Vertragsstrafeverpflichtung in einer Unterlassungserklärung nicht verjähren kann. (Urteil des BGH  vom 6. 7. 2012 – Az.: V ZR 122/11).  In diesem Artikel möchten wir Ihnen den Zweck und die konkrete Ausgestaltung von solchen Vertragsstrafen näher erläutern sowie deren gerichtliche Durchsetzung:

 

Die Vertragsstrafe im allgemeinen Vertragsrecht

Einleitend werden wir Ihnen zunächst ein Bild davon vermitteln, was Vertragsstrafen im allgemeinen Recht der Verträge für eine Bedeutung und Funktion haben. Klauseln, die eine Vertragsstrafe regeln, können in jedem denkbaren Rechtsgeschäft zwischen zwei Privaten (zivilrechtliches Rechtsgeschäft) auftauchen.

Aber auch ein öffentlich-rechtlicher Vertrag zwischen einer Privatperson und einer staatlichen Stelle oder zwischen staatlichen Stellen untereinander kann unter Umständen eine Vertragsstrafe enthalten.

Allgemein handelt es sich bei einer Vertragsstrafe um eine gegenüber der anderen Vertragspartei verbindlich zugesagte Geldsumme, die für den Fall gezahlt werden soll, dass der Versprechende seine vertraglichen Pflichten nicht oder nicht absprachegemäß erfüllt.

 

Die Funktionen der Vertragsstrafe im Überblick

Nimmt ein Vertragspartner eine solche Klausel in einen Vertrag auf, verfolgt er damit verschiedene Zwecke:

Zum einen dient ein Vertragsstrafeversprechen als finanzielles Druckmittel für den Unterzeichner. Er soll nämlich im Interesse seiner eigenen wirtschaftlichen Situation dazu angehalten werden, seine vertraglichen Verpflichtungen rechtzeitig und ordnungsgemäß zu erfüllen, insbesondere indem er den gerügten Rechtsverstoß nicht erneut begeht. (Druck- und Sanktionsfunktion).

Zudem erhält der Gläubiger mit der Unterzeichnung des Vertragsstrafeversprechens durch den Schuldner eine einfache Befriedigungsmöglichkeit in Bezug auf etwaige durch eine erneute Rechtsverletzung erlittene Schäden. Der Geldbetrag ist im Wege der Vertragsstrafe pauschal und ohne einen ansonsten aufwendigen Schadensnachweis zu zahlen. Die Vertragsstrafe erfüllt damit auch eine Funktion als pauschalisierter Schadensersatz.

Dabei ist aber zu beachten, dass trotz des fehlenden Erfordernisses eines Schadensnachweises ein Verschulden des Schuldners der Vertragsstrafe nötig ist. Der Schuldner muss den Rechtsverstoß also vorsätzlich oder zumindest fahrlässig nach § 276 BGB begangen haben. Häufig kann im Geschäftsbereich auch das Verschulden eines Erfüllungsgehilfen über § 278 BGB zugerechnet werden.

Die Vertragsstrafe speziell im gewerblichen Rechtsschutz

Lassen Sie uns nun ein besonderes Licht auf den Einsatz der Vertragsstrafe als Druck- und Sanktionsmittel auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes werfen.

Dabei geben wir Ihnen auf Grundlage von jahrelanger Rechtsprechung zu dem Thema insbesondere Tipps für die Praxis, wie Sie eine Vertragsstrafe berechnen und welchen Umgang damit Sie im Falle eines eventuellen Rechtsstreits erwarten können.

Die genaue Berechnung der Höhe der Vertragsstrafe

Die Vertragsstrafe ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls und des Ziels, das durch die Aufnahme eines Vertragsstrafeversprechens in den Vertrag erreicht werden soll, individuell festzulegen.

Im Regelfall bestimmt der Gläubiger die Höhe der Vertragsstrafe. Das ist bei einer Streitigkeit aus dem Gewerblichen Rechtsschutz der Markeninhaber oder der Urheber.

Die Bestimmung dieses Wertes kann aber genauso gut in das Ermessen eines beliebigen Dritten gelegt werden (gem. §§ 315 Abs. 1, 317 BGB), solange dieser nicht dem Lager des Schuldners zuzuordnen ist und über die ausreichende juristische Kompetenz sowie einen konkreten Willen zur Bestimmung der Vertragsstrafe verfügt.

ó Unzulässig ist es hingegen, die Bestimmung der Höhe der Strafzahlung ausschließlich den staatlichen Gerichten zu überlassen. Dies wird damit begründet, dass die Zuweisung von Aufgaben an die Richter nicht der Dispositionsbefugnis der Parteien unterliegen dürfe. (Urteil des OLG Hamm vom 22.08.2013 – Az.: 4 U 52/13)

Maßgebliche Kriterien für die Bestimmung der Höhe der Vertragsstrafe: (Urteil des BGH vom 30.09.1993 – I ZR 54/91)

Maßgeblich für die Höhe der Vertragsstrafe sind zum einen rechtliche und wirtschaftliche Gesichtspunkte wie die Schwere und das Ausmaß der gerügten Zuwiderhandlung.

Zum anderen spielen auch die Gefährlichkeit des Rechtsverstoßes für den Gläubiger, der Verschuldensgrad des Schuldners und die Größe und Finanzkraft des von ihm geführten Unternehmens eine Rolle.

Darüber hinaus kann entscheidend sein, wie wahrscheinlich die erneute Begehung eines Rechtsverstoßes derselben Art durch den Schuldner ist. Zur Bewertung seiner Motive kann auch sein Verhalten nach der Begehung des Rechtsverstoßes herangezogen werden.

Zudem können im Einzelfall bei der Bestimmung der Höhe der Vertragsstrafe Erwägungen der Vertragsparteien oder auch nur einer der Parteien im Zeitpunkt des Abschlusses des Unterlassungsvertrags als Kriterium einfließen.

Auch der bereits erwähnte Sanktionscharakter des Vertragsstrafeversprechens spielt bei der Abwägung der beiderseitigen Interessen eine übergeordnete Rolle.

Übersicht über die Kriterien zur Bestimmung der Höhe der Vertragsstrafe:

  • Schwere und Ausmaß der Zuwiderhandlung
  • Gefährlichkeit des Rechtsverstoßes für den Gläubiger
  • Verschuldensgrad der Rechtsverletzung
  • Größe/Finanzkraft des Unternehmens des Schuldners
  • Wahrscheinlichkeit der Wiederholung des Rechtsverstoßes
  • Erwägungen bei Vertragsschluss
  • Einhaltung der Sanktionsfunktion

Welche Höhe ist für die Bemessung einer möglichst effektiven Vertragsstrafe zu empfehlen?

Als Faustformel sollte man sich merken, dass die in der Abmahnung angedrohte Vertragsstrafe nur dann Aussicht auf Erfolg hat, wenn sie der Höhe nach über den Betrag hinausgeht, den der Schuldner durch die Begehung des ersten Rechtsverstoßes gewonnen hat.

Beispiel:

Dies kann zum Beispiel im Fall der Veröffentlichung eines urheberrechtlich geschützten Werkes ohne die entsprechende Lizenz die damit ersparte Lizenzgebühr sein.

Aus wirtschaftlicher Sicht eines Verletzers, der vorsätzlich ohne die entsprechende Berechtigung von einem fremden Recht Gebrauch gemacht hat, hätte eine Vertragsstrafe unterhalb seines Gewinns keine ausreichende abschreckende Wirkung. Es darf sich für ihn also nicht lohnen, das Risiko der Verpflichtung zur Zahlung einer Vertragsstrafe angesichts der Höhe des durch einen erneuten Rechtsverstoß zu erwartenden Vermögenszuwachses auf sich zu nehmen. Ansonsten wäre auch das Sanktionsziel der Vertragsstrafe verfehlt. (Urteil des OLG Karlsruhe vom 18.12.2015 – Az.: 4 U 191/14)

Eine übliche Vertragsstrafe liegt oberhalb eines Betrags von ungefähr 2.500,00 EUR und kann sich auf Beträge bis zu 10.000,00 EUR erstrecken. Sogar eine Vertragsstrafe von bis zu 25.000,00 EUR wurde bereits von Gerichten als angemessen anerkannt. (Urteil des BGH vom 13.11.2013 – Az.: I ZR 77/12)

ó Beträge von unter 1.000,00 EUR werden von der Rechtsprechung regelmäßig als nicht ausreichend angesehen, um die grundsätzlich vermutete Wiederholungsgefahr auszuräumen. Der wirtschaftliche Anreiz für den Unterzeichner der Unterlassungserklärung sei in diesem Fall nicht groß genug, um von einer erneuten Begehung des abgemahnten Rechtsverstoßes abzusehen. Auch bei einem Betrag von unter 2.500,00 EUR wird die Höhe der Vertragsstrafe nur im Ausnahmefall je nach individueller Situation als ausreichend angesehen. (Beschluss des OLG Frankfurt am Main vom 09.12.2013 – Az.: 11 W 27/13)

Auch die Verpflichtung zur Zahlung eines bestimmten Betrages an einen Dritten, wie zum Beispiel an eine gemeinnützige Organisation, übe nach Einschätzung der Rechtsprechung im Gegensatz zur Zahlungsverpflichtung gegenüber dem Gläubiger selbst regelmäßig keinen ausreichenden Druck auf den Unterzeichner aus und stelle damit keine angemessene Vertragsstrafe dar. (Urteil des BGH vom 27.5.1987 – Az.: I ZR 153/85 – „Getarnte Werbung II“) Allerdings sei auch hier immer eine Beurteilung der Umstände des konkreten Einzelfalls erforderlich.

Beurteilung der Billigkeit der Vertragsstrafe durch das Gericht

Es kommt aber bei der Frage, ob eine Vertragsstrafe ausreichend bzw. angemessen ist immer auf die individuelle Beurteilung durch das jeweils zuständige Gericht an. Die mit der Entscheidung betrauten Richter ziehen im Rahmen einer Billigkeitskontrolle die bereits genannten Kriterien in Erwägung. Kommen sie zu dem Schluss, dass die Vertragsstrafe ihrer Höhe nach unbillig ist, entscheiden die Richter selbst über die angemessene zu zahlende Summe.

Allerdings ist die von den Parteien oder einem Dritten bestimmte Vertragsstrafe nicht schon deshalb unbillig, weil sie von den Richtern in einer anderen Höhe festgesetzt werden würde. Vielmehr ist entscheidend, ob die Regelung der richterlichen Prüfung in Form der Billigkeitskontrolle standhält oder nicht. (Urteil des BGH vom 8.5.2014 – Az.: I ZR 210/12 –  „Fishtailparka“)

 

Unterlassungserklärung nach dem „Hamburger Brauch“?

Macht man sich in einschlägiger Literatur und Rechtsprechung zur Thematik der Vertragsstrafe schlau, wird man immer wieder dem Begriff des „Hamburger Brauchs“ begegnen.

Es handelt sich dabei um ein von der Rechtsprechung entwickeltes und allgemein befürwortetes Instrument: (z.B. Urteil des BGH vom 14.10.1977 – Az.: I ZR 119/76 – „Hamburger Brauch I“; Urteil des BGH vom 13.11.2013 – Az.: I ZR 77/12 – „Vertragsstrafenklausel“)

Bisher haben wir nur die Situation behandelt, dass eine Vertragsstrafe der Summe nach bereits fest bestimmt ist. Entscheidet man sich für eine Unterlassungserklärung nach dem „Hamburger Brauch“, ist die Vertragsstrafe der Höhe nach hingegen noch nicht bemessen.

Dies geschieht erst bei Eintritt des Falls einer Zuwiderhandlung des Abgemahnten. Die abmahnende Partei hat dann erst nach ihrem billigen Ermessen die Höhe der Vertragsstrafe zu bestimmen. Die Bestimmung erfolgt dann nach den auch in die Billigkeitskontrolle der Richter einfließenden Kriterien. Der Abgemahnte wiederum hat daraufhin im weiteren Verfahren die Möglichkeit, die bestimmte Vertragsstrafe auf ihre Angemessenheit hin überprüfen zu lassen.

Bewertung einer Vertragsstrafe nach „Hamburger Brauch“

Vorteile einer Vertragsstrafe nach dem „Hamburger Brauch“ gegenüber einer der Summe nach bereits bemessenen Vertragsstrafe werden unter anderem darin gesehen, dass der Gläubiger sich damit weiterhin einen recht weiten Verhandlungsspielraum offen hält.

So können dann zum Beispiel auch noch das Verhalten des Abgemahnten nach der Unterzeichnung der strafbewehrten Unterlassungserklärung sowie die Intensität der Zuwiderhandlung, ebenso wie die Schwere eines Verschuldens, in die Bemessung mit einfließen.

Genügt der „Hamburger Brauch“ den Anforderungen an eine die Wiederholungsgefahr ausräumende Unterlassungserklärung?

Damit es wegen der Verletzung eines Wettbewerbsrechts zu einer Verurteilung zum Unterlassen der verletzenden Handlung kommt, ist nach § 8 Abs. 1 UWG das Bestehen einer Wiederholungsgefahr erforderlich.  Es wird grundsätzlich vermutet, dass der Verletzer das rechtswidrige Verhalten oder einen ähnlichen Rechtsverstoß  erneut begehen wird.

ó Diese Vermutung kann nur durch die Unterzeichnung einer uneingeschränkten, bedingungslosen und unwiderruflichen Unterwerfungserklärung unter Verpflichtung zu einer angemessenen und ausreichend bestimmten Vertragsstrafe für den Fall der erneuten Zuwiderhandlung ausgeräumt werden. Nur dann sei eine ausreichende Ernsthaftigkeit des Unterlassungsversprechens gegeben.  (Urteil des BGH vom 24.2.1994 – Az.: I ZR 59/92)

Es handelt sich damit bei der Vertragsstrafe nach dem „Hamburger Brauch“ um eine rein flexible Regelung. Sie hält auch den Anforderungen an die Ernstlichkeit des Vertragsstrafenversprechens stand und ist geeignet, die grundsätzlich vermutete Wiederholungsgefahr eines Rechtsverstoßes auszuräumen. Es kommt alleine darauf an, dass der Schuldner mit der Unterzeichnung einen ernsthaften Unterlassungswillen zum Ausdruck bringt. Dies ist hier der Fall, da der Gläubiger sich ausdrücklich ein Bestimmungsrecht nach billigem Ermessen vorbehält. (Urteil des BGH vom 31.05.1990 – Az.: I ZR 285/88)

ó Anders ist die Situation zu beurteilen, wenn die Formulierung einfach nur auf Zahlung „einer Vertragsstrafe“ ohne nähere Bezeichnung lautet oder eine zuvor konkret bezifferte Vertragsstrafe in dem Dokument ersatzlos gestrichen wurde. Dann kann die Erklärung nicht mehr als ernsthaft angesehen werden. (Beschluss des OLG Jena vom 20.07.2011 – Az.: 2 W 343/11)

Formulierungsbeispiel für eine Unterlassungserklärung nach „Hamburger Brauch“:

(Vorname, Name, Adresse des Unterlassungsschuldners)

verpflichtet sich ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und ohne Präjudiz, gleichwohl rechtsverbindlich,

gegenüber

(Vorname, Name, Adresse des Unterlassungsgläubiger)

es zukünftig bei Meidung einer für jeden Fall der Zuwiderhandlung von dem Unterlassungsgläubiger zu bestimmenden, im Streitfalle durch das zuständige Landgericht zu überprüfenden, angemessenen Vertragsstrafe zu unterlassen,

(Abgemahnte Rechtsverletzungshandlung).

Möglichkeit der Herabsetzung der Vertragsstrafe im Einzelfall

Grundsätzlich ist eine einmal wirksam festgelegte und unterschriebene Vertragsstrafe auch in dieser Höhe zu zahlen und kann nicht mehr durch Verhandlungen herabgesetzt werden.

Allerdings bestehen zwei Ausnahmen von diesem Grundsatz:

Zum einen kann eine Vertragsstrafe bei unverhältnismäßiger Höhe § 343 BGB auf Antrag des Schuldners nachträglich herabgesetzt werden.

Achtung im Handelsrecht!

Diese Möglichkeit ist bei einem zwischen Unternehmern geschlossenen Unterlassungsvertrag, der für beide Parteien ein Handelsgeschäft darstellt, gem. § 348 HGB grds. ausgeschlossen. Nach verbreiteter Ansicht kann diese Bestimmung jedoch abbedungen werden, ohne dass deshalb Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Unterwerfungserklärung entstünden. (Urteil des BGH vom 13. 11. 2013 – Az.: I ZR 77/12 – „Vertragsstrafenklausel“)

Eine andere Möglichkeit der Herabsetzung besteht, wenn die Vertragsstrafe ihrer Höhe nach dem Schuldner so unzumutbar erscheint, dass sie wegen eines Verstoßes gegen Treu und Glauben nach den allgemeinen Regeln in 242 BGB herabzusetzen ist. (Urteil des BGH vom 17. 7. 2008 – Az.: I ZR 168/05 – „Kinderwärmekissen“)

Ein solcher Verstoß gegen Treu und Glauben ist dann anzunehmen, wenn die Vertragsstrafe in einem außerordentlichen Missverhältnis zur Bedeutung der abgemahnten Zuwiderhandlung steht.

Dann ist auch für Kaufleute der grundsätzliche Ausschluss gem. § 348 HGB – unabhängig von der Frage der wirksamen Abbedingung – unbeachtlich. Allerdings ist die Vertragsstrafe dann nur so weit zu reduzieren, dass ein Eingreifen des Gerichts wegen eines Verstoßes gegen § 242 BGB noch nicht in Betracht kommen würde. Bei einer Herabsetzung der Vertragsstrafe auf ein angemessenes Maß würde man die Regelung § 348 HGB mithilfe der Grundsätze von Treu und Glauben umgehen. (Urteil des BGH vom 18.9.1997 – Az.: I ZR 71/95 – „Modenschau im Salvatorkeller“)

 

Risiken einer Regelung der Vertragsstrafe in AGB

Eine besondere Bewertung ist für den Fall erforderlich, dass die Vertragsstrafenklausel als Allgemeine Geschäftsbedingung i.S.d. § 305 Abs. 1 BGB zu qualifizieren ist. Dann kann der Adressat der Regelung vor Gericht eine Wirksamkeitskontrolle bzgl. der Regelung beantragen, bei der insbesondere nach der Generalklausel in § 307 Abs. 1 BGB beurteilt werden muss, ob durch die Vertragsstrafenregelung der Adressat dadurch entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt ist.

Es ist daher ein strengerer Maßstab anzulegen als bei der Beurteilung einer allein individualvertraglich ausgehandelten Vertragsstrafe. (Urteil des BGH vom 13. 11. 2013 – Az.: I ZR 77/12 – „Vertragsstrafenklausel“)

Eine unangemessene Benachteiligung in diesem Sinne liegt nach ständiger Rechtsprechung insbesondere dann vor, wenn der Verwender seine eigenen Interessen auf Kosten des Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne die des Vertragspartners von vornherein zu berücksichtigen. (Urteil des BGH vom 17. September 2009 – Az.: III ZR 207/08)

Eine wettbewerbsrechtliche Vertragsstrafe ist nach diesen Grundsätzen unter anderem dann als unangemessen anzusehen, wenn die Höhe der Vertragsstrafe außer Verhältnis zum Gewicht und zu den Auswirkungen des Verstoßes steht. (Urteil des BGH vom 7.5.1997 – Az.: VIII ZR 349/96)

Für das Vorliegen von AGB nach § 305 Abs. 1 BGB ist erforderlich, dass die Vertragsstrafe für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert ist und von einer Partei, hier der abmahnenden Gegenseite, verwendet wird.

Achtung!

Falls Sie sich als Unternehmer eines vorgedruckten Beispiels einer Vertragsstrafenregelung bedienen, sollten Sie Folgendes beachten:

Häufig enthalten formularmäßig vorgedruckte Regelungen pauschale Beträge für die von dem Unterzeichner zu zahlende Vertragsstrafe, wobei nicht nach dem konkreten Verstoß, insbesondere dessen Schwere und Ausmaß, differenziert wird. Damit wäre bei einer Vertragsverletzung nur geringeren Ausmaßes derselbe Betrag zu zahlen wie bei einem erheblichen Rechtsverstoß. Schaut man sich die vielzähligen Kriterien an, die in die Billigkeitskontrolle bzgl. der Angemessenheit der Vertragsstrafe mit einfließen, werden all diese Punkte hier damit nicht berücksichtigt.

Die Vertragsstrafe wird daher von der Rechtsprechung regelmäßig als im Einzelfall der Höhe nach nicht angemessen bewertet und hält einer AGB-Kontrolle so nicht Stand.

Beispiel: Urteil des BGH 20.01.2016 – Az.: VIII ZR 26/15

Empfehlung:

Es empfiehlt sich daher, bevor man eine Vertragsstrafenvereinbarung in seine Allgemeinen Geschäftsbedingungen aufnimmt, über die Risiken nachzudenken. Damit vermeidet man Klagen von Geschäftspartnern und sich anschließende kostspielige Gerichtsprozesse.

Vorbeugend sollte man strengere Vertragsstrafen eher individuell mit dem Geschäftspartner aushandeln, sodass sie gem. § 305 Abs. 1 Satz 3 nicht als AGB gelten und damit auch nicht den strengeren Maßstäben der Unwirksamkeitskontrolle in den §§ 305 ff. BGB unterfallen.

 

Die gerichtliche Durchsetzung von Vertragsstrafen

Kommt es nach Unterzeichnung des Vertragsstrafenversprechens zu einem erneuten Rechtsverstoß des Erklärenden, kann der Gläubiger seine Zahlungsforderung aus dem Unterlassungsvertrag gegen ihn geltend machen.

Häufig kommt es in der Folge zu Streitigkeiten, die einer gerichtlichen Klärung bedürfen, insbesondere weil der Schuldner die Zahlung der Vertragsstrafe mit Blick auf eine unangemessene Höhe der Vertragsstrafe verweigert.

Auch in Bezug auf einen solchen Gerichtsprozess ergeben sich einige Fragen, die wir Ihnen im Folgenden beantworten möchten:

Örtliche Zuständigkeit: Die Besonderheit des „fliegenden Gerichtsstandes“  

Grundsätzlich gelten für zivilrechtliche Streitigkeiten die allgemeinen Regeln über den Gerichtsstand gem. §§ 12 ff. ZPO. Danach ist die Klage gem. §§ 12, 13, 17 ZPO bei dem Gericht am Wohn- oder Unternehmenssitz des Beklagten zu erheben.

Im Fall von Verstößen gegen den Gewerblichen Rechtsschutz sind allerdings in der Regel Rechte eines Dritten betroffen wie Markenrechte oder Urheberrechte, bei deren Verletzung auch deliktische Ansprüche des Rechteinhabers aus §§ 823 ff. BGB bestehen können. Diese Rechte sind als sonstige Rechte im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB zu qualifizieren, da sie mit dem Eigentumsrecht als einzigem anderen durch den Tatbestand geschützten Recht vergleichbar sind: Sie gewähren ihrem Inhaber ein Nutzungs- und Ausschließungsrecht gegenüber Dritten.

Es gilt daher regelmäßig der Besondere Gerichtsstand der unerlaubten Handlung § 32 ZPO. Danach ist für Klagen aus unerlaubter Handlung das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die streitgegenständliche Handlung begangen wurde.

Ausnahme bei im Internet begangenen Verstößen – der „fliegende Gerichtsstand“

Eine Besonderheit gilt allerdings für Rechtsverstöße, die im Zusammenhang mit der Nutzung des Internets stehen. Dies ist bei der Mehrheit der wettbewerbsrechtlichen Verstöße der Fall, da das Internet die Möglichkeit zum weltweiten Vertrieb auch für private Händler bietet und damit Verstöße eher unentdeckt bleiben.

Beispiele:

Beispielhaft können das Anbieten einer gefälschten Ware in einem Online-Handel oder die illegale Bereitstellung einer Datei auf einer Filesharing-Plattform genannt werden.

Da das rechtsverletzende Angebot nun von Interessenten geographisch nahezu überall mithilfe eines Endgeräts mit Internetzugang abgerufen werden kann, lässt sich der Begehungsort der unerlaubten Handlung nicht mehr konkret bestimmen. Für solche Sonderfälle hat die Rechtsprechung das Instrumentarium des „fliegenden Gerichtsstandes“ entwickelt:

Nach diesem Modell hat derjenige, der die Abmahnung ausgesprochen hat, ein Wahlrecht, vor welchem Landgericht er die Rechtsverletzung geltend macht.

Begründet wird dieses Wahlrecht auch damit, dass in solchen Verfahren in der Regel keine Beweisaufnahmen vor Ort wahrgenommen werden können und müssen, da das Gericht die Rechtsverletzung alleine über das Internet einsehen kann.

 

Häufiges Problem bei Vertragsstrafen: Rechtsmissbrauch

Die Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs kann auch insbesondere wegen einer rechtsmissbräuchlichen Vertragsstrafenverpflichtung in der Unterlassungserklärung gem. § 8 Abs. 4 UWG unzulässig sein.

Ob ein Rechtsmissbrauch vorliegt, beurteilt sich auch nach dem allgemeinen zivilrechtlichen Grundsatz von Treu und Glauben gem. § 242 BGB.

Eine Unterlassungsklage im Wettbewerbsrecht ist regelmäßig dann missbräuchlich, wenn der Kläger sich dabei von sachfremden Zielen leiten lässt (z.B. das Handeln aus einem bloßen Vergeltungsakt heraus) und er es von Anfang an auf die Erzwingung eines gerichtlichen Verfahrens abgesehen hat. (Urteil des BGH vom 5. Oktober 2000 – I ZR 237/98 – „Vielfachabmahner“)

Solche zu missbilligenden Intentionen des Urhebers einer Abmahnung sind natürlich schwierig nachzuweisen. Dabei kann die Formulierung der Vertragsstrafe wichtige Hinweise enthalten: Der Oberste Gerichtshof in Zivilsachen hat einen eindeutigen Hinweis darauf, dass der Abmahnende es mit der Abmahnung gerade auf die Zahlung einer Vertragsstrafe abgesehen hat, darin gesehen, dass eine verschuldensunabhängige Vertragsstrafe vereinbart wurde. Der Schuldner sei damit mit der Unterzeichnung der Unterlassungserklärung in eine Zwangslage gebracht worden, die dem Gläubiger zugleich eine Einnahmequelle sichert, was dann auch als von ihm ursprünglich beabsichtigt angesehen werden kann. (Urteil des BGH vom 15. 12. 2011 – I ZR 174/10 – „Bauheizgerät“)

 

Beratung in Bezug auf Vertragsstrafen

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